Saturday, March 30, 2013

Der Irische Raub

Ich schaue gerade das Arte Doku Die Wahrheit - Eurokrise - Wem schulden die maroden Banken das Geld? auf YouTube und muss jetzt eine Pause machen. Ich kann in einer bestimmten Zeit nur eine begrenzte Menge an ökonomischer Psychopathie ertragen. Schwache Nerven sollten die Finger komplett davon lassen, es ist unerträglich. Nur soviel: mein kleines Märchen vom Spanischen Raub wird von der Realität in einem Ausmass übertroffen, das jede Vostellungskraft sprengt.

Ökonomie - Die Theologie des Marktes

Ich habe schon lange die These vertreten, dass Ökonomie keine Wissenschaft sei, weil sie an "Wissen" nicht interessiert ist. Mein letzter Post über den Mindestlohn ist ein case in point, wie der Angelsachse sagt. Obwohl Mindestlöhne seit Jahren exisitieren, und deren Wirkung auf Arbeitslosigkeit daher beobachtet werden kann, lehrt die Ökonomie immer noch die Orthodoxie. Ich nenne dieses Phänomen Faktenresistenz.

Trotzdem hat es aber eine gewisse Zeit gedauert (und einige ökonomische Bücher benötigt), bis ich eingesehen hatte, dass Ökonomie in Tat und Wahrheit eine Theologie ist. Der Glaube an den Freien Markt ist ein religiöser Glaube mit all ihren Dogmen, Evangelien, Sekten, Priestern, Ketzern usw. Im Gegensatz zu einer Wissenschaft, in der es schon namentlich darum geht, "Wissen" zu "schaffen", hat die Ökonomie den Zweck, sich selber und — da eine Religion nie damit zufrieden ist, den wahren Glauben zu haben, sondern ihn immer auch andern aufzwingen muss — alle andern davon zu überzeugen, dass ihr Gott (Markt) den längeren Penis hat als alle andern Götter.

Im blog Unlearning Economics (empfohlen für jeden Kritischen Ökonomen!) zitiert der Autor aus der Einführung zum Kapitel 11 Markets, Efficiency and the Public Interest des Buches Economics von John Sloman
First we show how a perfect market economy could under certain conditions lead to ‘social efficiency.’ … [we then] show how markets in practice fail to meet social goals. These failures provide the major arguments in favour of government intervention in a market economy.
Diese Zeilen sind äusserst erhellend und zielen auf den Kern meiner ökonomischen Kritik. Der Autor ist in diesem speziellen Fall besonders hilfreich, da er im wesentlichen mein Argument explizit macht:
Zuerst wird gezeigt, dass ein Perfekter Markt (Gott) zu (absoluter) sozialer Effizienz führt,
dann wird gezeigt, dass ein realer Markt (Welt) diese sozialen Ziele verfehlt.
Man beachte, dass das ökonomische Modell perfekt und die Realität mangelhaft ist und deshalb die geforderten Ziele verfehlt.

Dies ist keine Wissenschaft, sondern Theologie, denn in einer Wissenschaft, etwa der Meteorologie, ist es immer das idealisierte Modell, das mangelhaft ist, da es die Realität gerade wegen seiner Idealisierungen nicht vollkommen abzubilden vermag und daher von dieser abweicht. Diese Umkehrung der Bedeutung von Idealisierung und Realität ist der Kern einer Theologie: Gott ist unfehlbar. Es ist immer die Realität, die mangelhaft ist.

Wäre die Ökonomie eine Wissenschaft, dann würde wie in der Meteorologie ein allfällig idealisiertes Modell dazu verwendet werden, den realen Markt zu verstehen, um danach das Modell (und eben nicht die Realität!) zu verfeinern, damit letzteres nach und nach genauere Voraussagen zu produzieren vermag. Tatsächlich aber besteht das ökonomische Projekt darin, die mangelhafte Realität dem Perfekten Modell anzugleichen, und damit quasi einen Ökonomischen Gottesstaat (einen Total Freien Markt) zu errichten.

Wednesday, March 13, 2013

Ein kleiner mathematischer Beweis

Seit der State of the Union Address von Präsident Obama, in welcher er die Erhöhung des Mindestlohnes ankündigte, sind mir zwei verschiedene Videos vor die Augen gekommen, in denen ein Sprecher die Behauptung aufgestellt hat, dass ein Mindestlohn zu mehr Arbeitslosigkeit führe:

Realtime with Bill Maher31:43Bill Maher: So either you have a welfare state where you gonna have to give the people food stamps or you gonna force companies like McDonalds and Walmart to pay people a wage they can live on.
Jamie Weinstein: Which means the unemployment rate will go up. (...) I mean that's basic economics.
The Rachel Maddow Show00:08John Boehner: When you raise the price of employment, guess what happens: you get less of it.

Dieselbe Behauptung steht auch im Klassiker Economics in One Lesson[PDF] von Henry Hazlitt im Kapitel 18 Minimum Wage Laws, wo er schreibt:
"There is no escape from the conclusion that the minimum wage will increase unemployment". [Hazlitt p117]
Wenn man die Sprecher beim Wort nehmen darf — und die wirkungsvollste Kritik ist immer diejenige, die sich allein auf die Aussagen der Sprecher stützt — dann darf man folgende Gesetzmässigkeit daraus ableiten:

Mindestlöhne führen zu Arbeitslosigkeit

Ich möchte diese Aussage in folgende mathematische Form, der sogenannten Aussagenlogik kleiden (der Pfeil → bedeutet "impliziert"):

M → A

Diese Aussage ist nicht einfach eine abstrakte Theorie. Tatsache ist, dass verschiedene Volkswirtschaften solche Mindestlöhne eingeführt und mehrfach erhöht hatten. Wir müssen also nicht nur glauben, sondern können beobachten, was Mindestlöhne bewirken. Ausserdem haben in den USA einige der Teilstaaten einen eigenen, höheren Mindestlohn eingeführt, während der Nachbarstaat nur den nationalen Mindestlohn hat. Man hat also nicht nur eine Reihe von realen Experimenten, sondern sogar kontrollierte Experimente mit verschiedenen Mindestlöhnen in der gleichen Volkswirtschaft zur gleichen Zeit. Das Ergebnis einer Studie [PDF] des Centers for Economic and Policy Research (CEPR) findet für diese wiederholten Experimente eines Mindestlohnes "(...) No Discernible Effect on Employment" (Titel der Studie).

Wir beobachten also einen Mindestlohn, aber keine Arbeitslosigkeit (M und nicht A)

M ∧ ¬A

Lässt sich nun die Theorie mit der Beobachtung vereinbaren? Können beide Aussagen gelten? Prüfen wir nach:

(M → A) ∧ (M ∧ ¬A)Behauptung und Beobachtung
(M → A) ∧ ¬¬(M ∧ ¬A)doppelte Negation: P ≡ ¬¬P, für alle P
(M → A) ∧ ¬(¬M ∨ ¬¬A)De Morgan im zweiten Term
(M → A) ∧ ¬(¬M ∨ A)doppelte Negation im hinteren A
(M → A) ∧ ¬(M → A)Definition der Implikation: P →Q ≡ ¬P ∨ Q, für alle P, Q

Dies ist ein Widerspruch! Eine Aussage und ihr Gegenteil können nicht gleichzeitig wahr sein. Da wir den zweiten Teil tatsächlich beobachten, muss der erste Teil, also die Behauptung zwingend falsch sein. Damit aber nicht genug, denn die Behauptung ergibt sich ja aus der ökonomischen Theorie!


T → (M → A) Theorie impliziert Behauptung
T → FALSEBehauptung ist falsch (Widerspruch mit der Beobachtung)
¬T ∨ FALSEDefinition der Implikation
¬TDisjunktion kann nur wahr sein, wenn "nicht-T" wahr ist
T ≡ FALSET muss unwahr sein

Wir haben also mit Hilfe der Aussagenlogik bewiesen, dass die ökonomische Theorie falsch sein muss. Wenn eine Theorie korrekt ist, dann impliziert sie keine falschen Aussagen. Die ökonomische Theorie sagt aber einen Sachverhalt zwingend voraus, nämlich dass ein Mindestlohn zu Arbeitslosigkeit führt. Da wir diesen Sachverhalt aber nicht beobachten, ist die ökonomische Theorie beweisbar falsch.

QED